PQE-Anwendung mit Sexarbeiter_innen

1. Name und Land der Organisation

GOSHH (Gender, Orientation, Sexual Health, HIV) – Ireland

2. Autor_in der Fallstudie und Kontaktinformationen

Billie – support@goshh.ie, 0035361314354, 00353872192848

3. Externe Unterstützung

Sex Work Forum Moderator und Sex Worker Safety Forum Moderator

4. Projekt/Programm

Sex Work Services – Indoor Escorts

5. Ziele der Anwendung

1) Herausfinden, warum die meisten Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter nicht kommen, um sich Kondome zu holen.
2) Unseren Service für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter verbessern

6. Angewendetes Instrument bzw. Methode

PQD-Tool – Blitzbefragung
1. Stadium – Wissen von Sexarbeiterklienten erhoben, eine Frage gestellt: „Die meisten Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter benutzen unseren Service nicht. Was meinen Sie, warum sie sich keine Kondome holen?“.
2. Stadium – Auf Stimmen gehört, die Abolitionisten widersprechen, um Schlüsselfiguren zu identifizieren, die mit der Escort-Community Irlands arbeiten.
3. Stadium – Einen „special user“-Status in einem Online-Forum für Escorts erhalten und einen Post eingestellt, in dem der bisherige Prozess und was wir erreichen möchten erläutert wird, und drei Fragen an die Benutzerinnen und Benutzer des Forums gestellt.

7. Ergebnisse der Anwendung

Das 1. Stadium war mehr als erstaunlich. Wir stellten fest, dass die Leute Kondome überwiegend online kaufen, aber eine Rückmeldung stellte unsere ganzen Vorstellungen auf den Kopf: „Wir arbeiten hart für unser Geld, und wenn wir es ausgeben, möchten wir es für luxuriöse Dinge ausgeben, für Sachen, die uns ein gutes Gefühl geben. Ich lasse mich massieren, dann gehe ich zu Brown Thomas shoppen, und wenn ich fertig bin, gehe ich in die Drogerie und kaufe ein schönes Päckchen Kondome – hierher zu kommen, um Kondome zu kaufen*, lose, in einer braunen Papiertüte, da komme ich mir schäbig vor.“ Die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter fanden es aufregend, nach ihrer Meinung gefragt zu werden, und antworteten uns sehr ernsthaft nach bestem Wissen und Gewissen.

*Kondome werden in großen Mengen gekauft und für den Verkauf zum Einkaufspreis (50 Stück für 10 Euro+++[Carolin: Was steht in der pdf?]+++ in Tüten gepackt.

1. Wir beschlossen, auf der Website und an der Rezeption Markenkondome in Verkaufspackungen anzubieten.

2. Wir realisierten, dass die Escort-Community in erster Linie eine Online-Community ist. Wenn wir also die Partizipation von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern an Entscheidungsprozessen unseres Projekts verbessern wollten, mussten wir da hingehen, wo sie sind – online!

3. Wir haben eine wertvolle Ressource (Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter) schon viel zu lange ignoriert. Das 2. Stadium war langwierig und anstrengend, aber es hat sich gelohnt. Bei genauerer Betrachtung der Antworten aus dem ersten Stadium wurden zwei Dinge offensichtlich:

1. Die wechselhafte Sexarbeitercommunity ist überall zu Hause, es sind dieselben Leute, sodass wir Sexarbeiterinnen aus Limerick in Dublin, Cork, England, Deutschland usw. erreichen können.

2. Wir müssen nur die Schlüsselfiguren finden und mit ihnen arbeiten. Diese haben Zugang zur breiteren Community.

Wir besuchten örtliche akademische Foren, um Aktivisten aus aller Welt zu treffen und Beziehungen aufzubauen, zu reden.

8. Empfehlungen

Besonders auffällig war auch, wie sehr es die Nutzerinnen und Nutzer unseres Service schätzten, nach ihrer Meinung gefragt zu werden. Wir arbeiten mit marginalisierten Personen, die tagtäglich ausgeschlossen werden, und wir haben ihnen keinen diskriminierungsfreien Service angeboten, weil wir sie nicht gefragt haben, was sie gerne hätten, wie sie ihr Leben erfahren und was sie von uns möchten.
Bis dahin war unser Service für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter jahrelang vor sich hin gelaufen, ohne sich wirklich zu verändern und ohne dass jemand einen Gedanken an sie verschwendet oder ihnen Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Mit sehr wenig Aufwand haben wir nun einen direkten Zugang zu Hunderten von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern, die gerne mit uns chatten, und umgekehrt haben diese nun Zugang zu uns. Bevor wir diesen Prozess begannen, waren wir eine Organisation, der man nicht vertrauen konnte und die den meisten unbekannt war.
Inzwischen haben wir Besuch von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern bekommen, die uns nach unserer Ansicht zu Gesetzesänderungen fragen.
Während der europäischen HIV-Test-Woche kam zum ersten Mal jemand zum HIV-Schnelltest (infolge einer Onlinewerbung im Forum), und wir wurden von der landesweiten Organisation für die Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern (SWAI) eingeladen, bei der Vorstellung ihrer Kampagne vor der Presse zu sprechen.

Die praktische Anwendung dieses sehr nützlichen Tools hat also dazu geführt, dass Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Irland anders mit uns in Kontakt sind. Sie hat zu dem Eindruck geführt, dass wir vielleicht anders als all die anderen Projekte sind, und hat es uns ermöglicht, Brücken zu bauen.

Außerdem hat die Anwendung des Tools dazu geführt, dass wir ein ganz anderes Bild davon bekommen haben, wie Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter mit Projekten interagieren möchten und wie wir insgesamt Sicherheit fördern und einen vorurteilsfreien Service für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter anbieten können – eine Unterstützung, die für sie zugänglich ist.