Von der Vision über das Leitbild zu Zielen und Maßnahmen

... zu Zielen und Maßnahmen

Einrichtungen und Projekte der Gesundheitsförderung und Prävention haben in der Regel eine Vision, die ihrer Tätigkeit zugrunde liegt. Nicht immer wird sich in Teams über diese treibende Kraft ausgetauscht, da meist vorausgesetzt wird, dass die Kolleginnen und Kollegen mit einer ähnlichen Vision arbeiten. Für die Zusammenarbeit kann es hilfreich sein, Visionen explizit zu machen und sich über sie auszutauschen, besonders im Hinblick auf die Formulierung eines gemeinsamen Leitbilds und von konkreten Zielen und Maßnahmen.

Vision bezieht sich auf Gesellschaft
Leitbild bezieht sich auf Einrichtung
Ziel bezieht sich auf Maßnahme

Vision
Leitfrage: "Was will ich für die Gesellschaft erreichen?"

Eine Vision ist ein lebendiges, positives Bild einer erstrebenswerten Zukunft, ein motivationsförderndes Abbild einer verbesserten Wirklichkeit. In der Prävention und Gesundheitsförderung ist eine Vision das ehrgeizige Ansinnen, wie das Gesundheitsverhalten und die Verhältnisse, in denen eine Zielgruppe lebt, in der Zukunft aussehen sollen. Sie ist in der Regel eine Zielvorstellung, die über das Machbare hinaus geht und im Zeitrahmen eines Projektes kaum zu erreichen ist. Eine Vision nährt ein Engagement für eine gemeinsame Sache und spiegelt eine (Berufs-)Ethik, Grundwerte und Überzeugungen, wie es Menschen in dieser Welt gehen soll, wieder.

Eine Vision, die sich auf Gesundheit bezieht, könnte wie folgt lauten: "Alle Menschen haben die Möglichkeit, eine selbstbestimmte Sexualität zu leben."

Eine Verständigung über die Visionen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann zu einer Konkretisierung der Anliegen führen. Hierdurch bewegt sich das Denken weg vom Einzelnen und seiner Frage "Was will ich für die Gesellschaft erreichen?" hin zu einer gemeinsamen Formulierung von "Was wollen wir mit unserem Projekt für die Gesellschaft erreichen?".
Ein Projektteam einigt sich im Laufe eines Prozesses auf die Schnittmenge der Visionen. Dies dient sowohl einer Verständigung und Konsistenz nach Innen als auch der Außendarstellung. Eine schriftliche Fassung dieser gemeinsamen 'Linie' ist identitätsbildend und mündet in ein Leitbild.

Leitbild
Leitfrage: "Was will ich mit meiner Einrichtung erreichen/bewirken?"

Ein Leitbild drückt die Mission und die Philosophie eines Projekts beziehungsweise einer Einrichtung aus. Es gibt Auskunft über die angestrebte Identität der Einrichtung/des Projekts und erfüllt einerseits die Funktion einer Orientierung und andererseits der Selbstverpflichtung. Es sollte kurz und prägnant sein. Neben der Darstellung der Einrichtung werden Werte, Grundhaltungen, Ideen, Handlungsweisen und Qualitätsansprüche an die eigene Arbeit thematisiert. Die Erstellung eines Leitbildes ist ein Aushandlungsprozess, der in regelmäßigen Abständen wiederholt werden sollte, da sich Teams, Anforderungen an sie und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, ändern können.

In einem Leitbild könnte sich die oben genannte beispielhafte Vision folgendermaßen niederschlagen:
"Wir setzen uns in unserer Einrichtung dafür ein, dass unsere Zielgruppen für die Themen HIV/Aids sensibilisiert werden und ihre Sexualität selbstbestimmt leben können."

Ein nächster Schritt hin zu einer Konkretisierung der Absichtserklärungen, die in dem Leitbild enthalten sind, ist die Formulierung von Zielen, die wiederum zur Entwicklung von Maßnahmen für die Zielgruppe führen.

Ziele auf der Ebene von Maßnahmen
Leitfrage: "Was will ich durch meine Maßnahme erreichen?"

In der partizipativen Qualitätsentwicklung werden Ziele gemeinsam mit allen Beteiligten (Zielgruppe, Einrichtung, Geldgeber und ggf. andere Kooperationspartner) entwickelt.
Ein Hilfsmittel zur Entwicklung von Zielen und Meilensteinen (Teilzielen) ist die Methode zur Entwicklung von lokalen Zielen und Wirkungswegen (ZiWi-Methode). Unterstützend zur Formulierung der einzelnen Ziele bieten sich die SMART-Kriterien an. Je genauer eine Zielgruppe charakterisiert wird, umso klarer lassen sich die Ziele, die mit einer Maßnahme für sie erreicht werden sollen, festlegen.

Ein SMART formuliertes Ziel könnte lauten:
"Weibliche Prostituierte aus unserem Kiez sollen nach Durchführung unseres Projektes die Risiken von ungeschütztem Oralsex besser einschätzen können." Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Interventionen geplant und durchgeführt werden.

Maßnahmen / Interventionen
Leitfrage: "Was will/muss ich tun, um mein Ziel zu erreichen?"

Eine Intervention beziehungsweise Maßnahme ist das, was man konkret tun muss, um ein vorher bestimmtes Ziel in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen. Interventionen können auf der Ebene des Individuums beziehungsweise seiner Familie, der Ebene des Settings oder auch auf der Bevölkerungsebene ansetzen. Beeinflusst werden sollen das Verhalten und/oder die Verhältnisse. Die folgende Darstellung (angelehnt an Rolf Rosenbrock, 2003), veranschaulicht diese Zusammenhänge.

Interventionsebene Verhalten Verhältnisse
  Information, Aufklärung, Beratung Beeinflussung des Kontextes
Individuum/Familie Einzelberatung zu Fragen der HIV/Aids-Prävention Medizinische und soziale Basisversorgung sichern
Setting (Organisation, Community /Szene) Aufsuchende Arbeit in der Szene (Streetwork);
Verteilen von Kondomen und Gleitgel durch Streetworker_innen
Aufstellen von Kondomautomaten; Bereitstellung von Kondomen und Gleitgel auf WCs etc.
Bevölkerung "Gemüsekampagne" der BZgA ("mach's mit") Entstigmatierung von HIV/Aids; Entkriminalisierung der Prostitution

In unserem Beispiel würde eine Maßnahme wie folgt aussehen:
"Wir bieten aufsuchende Arbeit und die partizipative Erstellung eines Flyer (Postkarte o. ä.) für weibliche Jugendliche auf unserem Straßenstrich an."

Autor/-innen:
Block/Unger/Wright