Faktoren der Zusammenarbeit

Was trägt zum Gelingen bei – und was nicht?

Zur Planung einer erfolgreichen Zusammenarbeit sollten sich Projektleitungen im Vorfeld einer geplanten Maßnahme folgende Fragen stellen:

  • Mit wem möchte/muss ich zusammenarbeiten?
  • Welche Form soll die Zusammenarbeit haben?
  • Wie viel Entscheidungsmacht ist für jeden Akteur möglich?

Zahlreiche Faktoren beeinflussen, ob Partizipation in der Zusammenarbeit zwischen Projekt, Schlüsselgruppe, Geldgeber und anderen Akteuren realisiert werden kann. Auf Grundlage der Ergebnisse unserer Forschungsarbeit sind aus Sicht der Praktiker*innen folgende Aspekte hervorzuheben:

  • Haltung
  • Aufwand
  • Pflege der Zusammenarbeit
  • Interessen
  • Einigkeit in der eigenen Einrichtung
  • Fachlichkeit

Zu jedem Aspekt wurde weiter nach den Perspektiven der Kooperationspartner*innen unterschieden, das heißt nach Schlüsselgruppe, Geldgeber und anderen Beteiligten.

Haltung

Partizipation der Schlüsselgruppe verlangt unter Umständen einen Perspektivwechsel in der Arbeit: Es handelt sich nicht (mehr) in erster Linie darum, ein Projekt für sondern mit der Schlüsselgruppe durchzuführen. Die Entwicklung der Partizipation ist ein Prozess, auf den ein Projekt sich einlassen muss.
Dazu braucht man Vertrauen zur Schlüsselgruppe, Geduld im Prozess und Disziplin bei der Durchführung der Bemühungen, Partizipation zu stärken. Aufgrund von Misstrauen von Teilen der potenziellen Schlüsselgruppe gegenüber Einrichtungen der sozialen Arbeit, kann der Aufbau einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Projekt und Schlüsselgruppe problematisch sein. Ein Hindernis aus der Sicht vieler Einrichtungen, die der Schlüsselgruppe eine stärkere Partizipation ermöglichen wollen, ist das mangelnde Interesse des Geldgebers, die Partizipation der Zielgruppe als Projektziel explizit zu unterstützen.

Der Grad der notwendigen Anpassung an die Erwartungen des Geldgebers, um verstanden und ernst genommen zu werden, ist nicht immer gleich. Im Allgemeinen halten Projektmitarbeiter*innen es für wichtig, in der Zusammenarbeit mit Geldgebern eine authentische Haltung zu bewahren; so zu sein, wie man im (Praxis-)Alltag ist, kann die Glaubwürdigkeit des Auftritts steigern. Eine Voraussetzung für eine stärkere Partizipation eines Projekts an Entscheidungen hinsichtlich geförderter Maßnahmen ist das Vertrauen seitens des Geldgebers. Eine überhöhte Anspruchshaltung an das Verständnis und Interesse des Geldgebers kann eine partizipative Zusammenarbeit ebenfalls behindern.

In der Zusammenarbeit mit anderen Kooperationspartner*innen müssen Projektmitarbeiter*innen akzeptieren, dass einige Einrichtungen aufgrund ihres Konzepts oder ihrer (hierarchischen) Struktur, Entscheidungskompetenzen nicht teilen dürfen. Konkurrenz zwischen Einrichtungen ist ein weiterer Grund, warum partizipative Formen der Zusammenarbeit nicht zustande kommen können.

Aufwand

Der Aufbau einer Zusammenarbeit – ob mit der Schlüsselgruppe oder anderen Kooperationspartner*innen – ist ein aufwendiger Prozess, der erst über einen längeren Zeitraum und durch die Investition von Ressourcen (Personal- und Sachmittel) zustande kommen kann. Kurzfristig betrachtet können deshalb partizipative Formen der Zusammenarbeit kostenintensiver als nicht partizipative Formen sein. Längerfristig betrachtet werden jedoch die Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention, die durch partizipative Prozesse entwickelt und umgesetzt wurden, wirkungsvoller sein, weil sie durch Einbindung der Schlüsselgruppe in deren Lebenswelt besser integriert werden können und deshalb wirksamer sind.

Pflege der Zusammenarbeit

Für die Kooperationspartner gilt, dass die Zusammenarbeit nicht von selbst entsteht, sondern von allen Beteiligten aufgebaut und gepflegt werden muss.

In der Zusammenarbeit mit der Schlüsselgruppe bedeutet dies eine Steuerung (z.B. in Form einer strategischen Planung), um mit der Zeit eine größere Partizipation seitens der Schlüsselgruppe zu ermöglichen. Ein Konsumverhalten seitens der Schlüsselgruppe kann ein Hindernis beim Aufbau partizipativer Strukturen darstellen. Vor diesem Hintergrund können Konfrontationen zwischen Mitarbeiter*innen und Mitgliedern der Schlüsselgruppe notwendig sein, um die Schlüsselgruppe zu motivieren, sich aus einer passiven Empfängerhaltung hin zu einer aktiven Teilhabe am Projektgeschehen zu entwickeln. Hierbei kann es hilfreich sein, der Schlüsselgruppe deutlich zu machen, wie wichtig ihr Engagement für die Aufrechterhaltung des Angebotes ist.

Die Form der Zusammenarbeit mit Geldgebern sollte mit Sorgfalt bestimmt werden. Eine Partnerschaft im Sinne einer Gleichberechtigung angesichts aller Projektentscheidungen ist oft nicht erstrebenswert, sondern eher eine Kooperation, in der eine gewisse Autonomie für das Projekt bewahrt wird. Um eine Gesprächskultur zwischen Projekt und Geldgeber zu etablieren, müssen angemessene Strukturen geschaffen werden (regelmäßige Termine, Verfahren für Entscheidungsfindung und Konfliktmanagement, Austausch von Informationen etc.). Eine gegenseitige Transparenz in relevanten Punkten ist die Voraussetzung für eine gelungene Zusammenarbeit.

Aus Sicht der Praktiker*innen ist die Entwicklung einer angenehmen Gesprächskultur mit allen Kooperationspartnern wichtig. Dafür können diverse Methoden der Gruppengesprächsführung angewendet werden. Das Motto "Gemeinsam sind wir stark" kann als Leitsatz dienen, um die Beteiligten anzuregen, gemeinsame Interessen zu identifizieren und konkrete Formen der Kooperation zu entwerfen. Treffen, auf denen die potentiellen Kooperationspartner*innen sich präsentieren können ("Dachveranstaltungen") tragen oft zu fachlichen Übereinstimmungen bei.
Nicht selten werden Kooperationen von Geldgebern oder anderen (politischen) Entscheidungsträgern vorgeschrieben. Aus der Erfahrung der Praktiker*innen funktionieren solche "Zwangskooperationen" jedoch unterschiedlich gut. Anregungen zur Kooperation "von außen" können nützlich sein, aber die Gründe für die Kooperation müssen klar kommuniziert und der richtige Rahmen für die Zusammenarbeit geschaffen werden.

Zwei weitere Punkte, die Probleme im Aufbau der Zusammenarbeit mit anderen Kooperationspartner*innen schaffen können, sind Scheinkooperationen und eine zu hohe Zahl an Beteiligten. Bei Scheinkooperationen ist keine Teilhabe an Entscheidungsprozessen vorgesehen, obwohl die Arbeitsbeziehung sich nach außen so darstellt. Bei der Zahl an Beteiligten gilt das Sprichwort "Zu viele Köche verderben den Brei": Eine zu hohe Zahl an Kooperationspartner*innen und/oder Kooperationsvereinbarungen kann die Wege länger machen und eine unnötige Bürokratie verursachen.

Interessen

Gemeinsame Interessen sind das Fundament jeder Form von Zusammenarbeit, vor allem der partizipativen Zusammenarbeit, die einen hohen Grad an Abstimmung verlangt.

Die Interessen der Schlüsselgruppe sind nicht immer einfach in Erfahrung zu bringen. Projektziele, die von den Interessen des Geldgebers stark beeinflusst sind, werden oft mit den Interessen der Schlüsselgruppe gleichgestellt. Es wird in der Regel von einer Bedürftigkeit der Schlüsselgruppe ausgegangen, die im Rahmen von Antragsverfahren die Bereitstellung von Hilfeleistungen begründet, aber nicht unbedingt eine Basis für eine partizipative Zusammenarbeit mit der Schlüsselgruppe bietet. Nicht selten definiert die Schlüsselgruppe ihre Lebenslage anders und setzt andere Schwerpunkte in Bezug auf die Definition und Lösung von Gesundheitsproblemen.

Es sollten deshalb Wege außerhalb der Projekt- und Förderlogik gefunden werden, um die Interessenlage der Schlüsselgruppe in Erfahrung zu bringen. Möglich ist auch, dass die Schlüsselgruppe nicht ein gemeinsames, sondern mehrere (verschiedene) Interessen hat, denn "Schlüsselgruppen" sind ja oft Konstrukte und keine lebensweltlichen Gruppierungen, die sich über ihre gemeinsamen Interessen verständigen.

Auch bei anderen Kooperationspartner*innen ist die Erkundung der Interessenlage von zentraler Bedeutung. Kleinere und größere Unterschiede, sowohl in Bezug auf Fachthemen als auch in Bezug auf Umgangsformen, sollten beim Aufbau einer Zusammenarbeit berücksichtigt werden.

Einigkeit in der eigenen Einrichtung

Nicht selten kommt es in der Projektarbeit vor, dass ohne die Zustimmung aus dem Kolleg*innenkreis oder von Vorgesetzen eine Kooperation mit einer Schlüsselgruppe oder anderen Kooperationspartner*innen angestrebt wird. Die resultierende Uneinigkeit in der Einrichtung führt dazu, dass keine tragfähige Zusammenarbeit realisiert werden kann, weil die Interessen der Einrichtung nicht glaubwürdig und konsistent nach außen vertreten werden können.
Aus diesem Grund gilt für viele Praktiker*innen die Regel, zuerst Klarheit in der eigenen Einrichtung über die Frage zu erreichen, mit wem kooperiert werden soll, bevor konkrete Formen der Zusammenarbeit in die Wege geleitet werden.

Fachlichkeit

Eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind folgende Aspekte von Fachlichkeit:

  • Klare Ziele und Standpunkte zu fachrelevanten Themen
  • Klarheit über die eigenen Grenzen in Verhandlungsgesprächen (Welche Kompromisse können wir als Einrichtung eingehen, welche nicht?)
  • Kenntnisse über erfolgreiche, vergleichbare Projekte in anderen Kommunen
  • Die Fähigkeit, über die eigene Arbeit nachvollziehbar zu kommunizieren, auch über die spezifische Bedeutung der Arbeit für alle Beteiligten (mit entsprechender Dokumentation, Fallbeispielen etc.)
  • Die Fähigkeit, die Belange der Schlüsselgruppe (mit-) zu vertreten
  • Die Fähigkeit, sich an die Sprache der Politik und von anderen Entscheidungsträger*innen ebenso wie an die der Schlüsselgruppe anzupassen
  • Die Fähigkeit, Lobbyarbeit zu leisten

Autor*innen:
Wright/Block/Unger